Lohn-Mandanteninformation Juli/August 2025

von 7 Juli, 2025Lohninfos

Arbeitsunfähigkeit[1]

1.    Entgeltfortzahlung bei Zweifeln an der Erkrankung des Arbeitnehmers

Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes – EntgFG). Die Arbeitsunfähigkeit ist durch ärztliches Attest nachzuweisen (§ 5 EntgFG). Liegt ein solches Attest vor, kommt diesem ein hoher Beweiswert zu, sodass der Arbeitgeber grds. auch vom Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen hat. Der Arbeitgeber kann diesen Beweiswert nur dann erfolgreich erschüttern und die Entgeltfortzahlung verweigern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt, die Zweifel an der Erkrankung erlauben (so die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).

Diese Beweiserschütterung kommt nach zwei aktuellen Entscheidungen des BAG (Urteil v. 18.9.2024 – 5 AZR 29/24 und Urteil v. 21.8.2024 – 5 AZR 248/23) u. a. auch dann in Betracht, wenn die Arbeitsunfähigkeit, die in Kenntnis einer – ggf. noch bevorstehenden – Kündigung bescheinigt wird, mit der Kündigungsfrist zeitlich zusammenfällt. In den entschiedenen Fällen legte der jeweils betreffende Arbeitnehmer (Folge-) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) vor, die taggenau bis zum Ende der Kündigungsfrist reichten. Anschließend traten die Arbeitnehmer pünktlich ihre jeweilige neue Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber an. Die früheren Arbeitgeber verweigerten daraufhin jeweils die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mit der Begründung, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert. Das BAG gab den Arbeitgebern in beiden Fällen Recht.

Damit setzt das BAG seine bisherige Rechtsprechung (BAG, Urteil v. 13.12.2023 – 5 AZR 137/23) zur Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die für die Dauer der Kündigungsfrist ausgestellt werden, fort.

2.    Bemessungsgrundlage der Entgeltfortzahlung

Ist der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, ist dem Arbeitnehmer das ihm für seine regelmäßige Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen (§ 4 EntgFG). Nach diesem sog. Entgeltausfallprinzip umfasst der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall grds. die volle Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge, wie sie der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig gewesen wäre (BAG, Urteil v. 23.4.2024 – 5 AZR 178/23).

Fall:
Arbeitnehmer N war v. 27.3.–5.4.2022 arbeitsunfähig erkrankt. Nach den für diese Zeit bereits erstellten Dienstplänen war er auch für – nach dem einschlägigen Tarifvertrag jeweils zuschlagspflichtige – Sonntagsarbeit und für Nachtschichten mit und ohne Schichtleitertätigkeiten eingeplant. Arbeitgeberin G zahlte als Entgeltfortzahlung lediglich den tarifvertraglichen Grundlohn, nicht jedoch die tarifvertraglichen Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit sowie für die Schichtleitung.

Zu Unrecht, wie das BAG unter Hinweis auf das Entgeltausfallprinzip befand. Das BAG setzt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechungslinie weiter fort.

 

Befristetes Arbeitsverhältnis, Vereinbarung Probezeit

Probezeiten sind üblicher Bestandteil von Arbeitsverträgen. Dadurch werden Kündigungsfristen abgekürzt. Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, beläuft sich die gesetzliche Kündigungsfrist dann auf nur 2 Wochen (§ 622 Abs.3 BGB), während die reguläre Grundkündigungsfrist 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Monats beträgt (§ 622 Abs.1 BGB). Soweit arbeitsvertraglich vereinbart, kann auch ein befristetes Arbeitsverhältnis vor dem Befristungsende ordentlich gekündigt werden (§ 15 Abs. 4 TzBfG). Zur Abkürzung der Kündigungsfristen wird dabei auch in befristeten Arbeitsverträgen häufig eine Probezeit vereinbart.

Unklar ist, wie lang eine solche arbeitsvertraglich vereinbarte Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen ausfallen darf. Nach Vorgabe des Gesetzes muss diese „im Verhältnis“ zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 2.7.2024 – 19 Sa 1150/23) hat dies nun näher konkretisiert und entschieden, dass jedenfalls in einem für ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag eine Probezeit von 25 % der vereinbarten Gesamtbefristungsdauer regelmäßig zulässig ist. In einem anderen Fall hatte das LAG Schleswig-Holstein (Urteil v. 18.10.2023 – 3 Sa 81/23) zuvor sogar entschieden, dass bei einer einjährigen Befristung eine Probezeit von bis zu sechs Monaten vereinbart werden dürfe.

Anmerkung:

Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch das BAG kann nur ein vorsichtiger Ansatz (1/3 oder 1/4 der Befristungsdauer) empfohlen werden, um die sonst drohende Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung zu vermeiden.

 

GmbH-Geschäftsführer, nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Nachvertragliche Wettbewerbsklauseln stellen in der Praxis einen wichtigen Bestandteil zum Schutz des Know-how des Unternehmens dar. Dementsprechend finden sie sich in vielen Geschäftsführer- und Vorstandsdienstverträgen, aber etwa auch in Arbeitsverträgen von Arbeitnehmern mit Schlüsselpositionen. Während nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern nur bei Zusage einer Karenzentschädigung verbindlich sind (§ 74 Abs. 2 HGB), existiert gegenüber GmbH-Geschäftsführern eine solche gesetzliche Pflicht nicht.[2] Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr klargestellt, dass die Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit einem GmbH-Geschäftsführer auch nicht von der Zusage zur Zahlung einer Karenzentschädigung abhängt (BGH, Urteil v. 23.4.2024 – II ZR 99/22).

 

Steuerfreiheit von sog. Altersteilzeit-Aufstockungsbeträgen

Im Streitfall war der Kläger im Rahmen einer Altersteilzeit beschäftigt und erhielt neben seinem regulären Arbeitsentgelt einen steuerfreien Aufstockungsbetrag (gem. § 3 Nr. 28 EstG) in Höhe von 40 % des Brutto-Arbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit. Nach Beendigung der Altersteilzeit bzw. während seines Ruhestands wurde ihm aus einem betrieblichen Bonusprogramm ein Betrag einschließlich eines Altersteilzeit-Aufstockungsbetrags ausgezahlt. Den Aufstockungsbetrag machte der Kläger als Lohnersatzleistung nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (Progressionsvorbehalt) geltend. Das beklagte Finanzamt behandelte die gesamte Auszahlung als steuerpflichtigen Arbeitslohn, weil der Kläger sich zum Zeitpunkt des Zuflusses nicht mehr in Altersteilzeit befand. Die Richter des Finanzgerichts Köln gaben der Klage statt.

Der Bundesfinanzhof[3] folgte der Entscheidung und stellte klar, dass die Steuerfreiheit des Aufstockungsbetrags unabhängig vom Zeitpunkt der Auszahlung ist. Entscheidend sei, dass der Aufstockungsbetrag auf der während der Altersteilzeit erbrachten Arbeitsleistung und den dazugehörigen Vereinbarungen beruht. Die Steuerbefreiung verliere nicht ihren Zweck (die Förderung der Altersteilzeit und die Entlastung des Arbeitsmarktes), nur weil der Betrag erst nach Beendigung der Altersteilzeit zufließt. Maßgeblich sei nicht der Zuflusszeitpunkt, sondern der Zeitraum, für den der Aufstockungsbetrag gezahlt wurde. Das Finanzgericht habe zu Recht entschieden, dass der streitige Altersteilzeit-Aufstockungsbetrag nach § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei ist und als Lohnersatzleistung nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g EStG dem Progressionsvorbehalt unterliegt (Az. VI R 4/22).

 

Diese Informationen stellen keine rechtliche oder steuerliche Beratung oder gar eine verbindliche Auskunft dar und können eine Einzelfall-Beratung nicht ersetzen. Für etwaige Erläuterungen oder Nachfragen stehen wir Ihnen auch persönlich gern zur Verfügung. Bei Fragen zum Arbeitsrecht wenden Sie sich bitte an Herrn Rechtsanwalt Oliver Stumm, Tel.-Nr. 06421/4006-120 oder Frau Rechtsanwältin Ann-Christin Bach Tel.-Nr. 06421/4006-128.

GWB Boller & Partner mbB
Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte

[1] Prof. Dr. Klaus Olbertz, NWB Nr.12, 21.03.2025, S. 789 ff.
[2]Arens, NWB 20/2023 S. 1446
[3] Bundesfinanzhof, Beschluss VI R 4/22 24.10.2024, LEXinform 0953901

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